Autor: rANgeLFIent

7. Europäischer Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt


PsG.nrw appelliert an alle pädagogischen Fachkräfte, sich intensiv mit der Prävention sexualisierter Gewalt auseinanderzusetzen  

 Köln, den 18.11.2021Der 18.11. steht seit 7 Jahren im Zeichen des Schutzes von jungen Menschen vor sexualisierter Gewalt. In diesem Jahr liegt der Fokus des vom Europarat initiierten Tages auf dem engsten sozialen Umfeld, dem „circle of trust“. Die Landesfachstelle Prävention sexualisierte Gewalt NRW (PsG.nrw) macht in diesem Zusammenhang auch und gerade auf die Schlüsselrolle von Mitarbeitenden aller Organisationen aufmerksam, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Erwachsene als Bezugs- und Ansprechpersonen

Ob Kindertageseinrichtung, Schule oder Freizeiteinrichtung: Bereits in jungen Jahren verbringen Mädchen* und Jungen* einen Großteil ihrer Zeit in verschiedenen Organisationen. Diese sind als Schutz- und Kompetenzort zu verstehen, in dem sich junge Menschen offenbaren können, wenn sie von sexualisierter Gewalt betroffen sind oder waren. Dr. Nadine Schicha, Leiterin der PsG.nrw: „Insbesondere Personen im Bereich der Bildung, Betreuung und Erziehung von jungen Menschen haben eine zentrale Funktion im Kinder- und Jugendschutz. Denn sie verbringen viel Zeit mit den Mädchen* und Jungen*, pflegen oftmals eine vertrauensvolle Beziehung zu ihnen und können somit Ansprechperson sein.“ Damit sich Mädchen* und Jungen* mitteilen können, braucht es Erwachsene, die im Themenfeld sprach- und handlungsfähig sind und ihre Ansprechbarkeit signalisieren.

Organisationen als potenzielle Orte für Übergriffe

Täter*innen kommen oft aus dem sozialen Nahfeld von Kindern und Jugendlichen; häufig aus der eigenen Familie. Aber es kann auch in Organisationen zu Grenzüberschreitungen bis hin zu sexualisierter Gewalt kommen – durch Mitarbeitende, aber auch durch Kinder und Jugendliche. Schicha: „Täter und Täterinnen suchen sich gezielt Organisationen, die gute Gelegenheitsstrukturen bieten und in denen sie enge, ungestörte Beziehungen zu Mädchen* und Jungen* aufbauen können. Um Heranwachsende in institutionellen Kontexten ausreichend zu schützen, müssen Organisationen die Prävention sexualisierter Gewalt in ihren Strukturen verankern und zum festen Bestandteil ihres täglichen Handelns und Miteinanders machen.“

Schutzkonzepte

Eine gelingende Vorbeugungsarbeit muss auf verschiedenen Ebenen ansetzen, um ihre Wirkkraft zu entfalten. Systematisch können Organisationen durch die Verankerung von institutionellen Schutzkonzepten gegen sexualisierte Gewalt vorgehen. In den Prozess der Entwicklung und Umsetzung sollten alle Beteiligten – auch und vor allem die jungen Menschen – einbezogen werden, damit das Konzept eine hohe Akzeptanz erfährt und nachhaltig mit Leben gefüllt wird. Ein solches Schutzkonzept besteht aus verschiedenen Bausteinen, die in ihrer Gesamtheit auf Täter*innen eine abschreckende Wirkung ausüben bzw. es ihnen erschweren können, unentdeckt zu agieren.

Die aktuelle Kampagne der PsG.nrw sensibilisiert für das Spannungsfeld von Nähe und Distanz und für Grenzüberschreitungen im pädagogischen Alltag. © PsG.nrw; Illustration: Supersalz.

*Wir verstehen Gender, also die Geschlechtsidentität, als ein variables und sich entwickelndes Spektrum. Darum verwenden wir genderneutrale Formulierungen und das Gendersternchen.

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UKE-Studie zeigt: Auch Frauen können Täterinnen sein


Köln, den 10.11.2021. Bei sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen wird in der Regel an männliche Täter gedacht. Frauen als Täterinnen sind hingegen ein gesellschaftliches Tabuthema. Wissenschaftler*innen des Instituts für Sexualforschung, Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) haben in einem Forschungsprojekt sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen durch Frauen untersucht. Die in einem detaillierten Bericht zusammengefassten Ergebnisse zeigen, dass es Frauen mit einem sexuellen Interesse an Kindern gibt, und liefern Evidenz für  sexualisierte Gewalt durch Frauen sowie weitergehende Erkenntnisse. Gefördert wurde das Projekt von der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (UKASK). Die ganze Meldung und die Studie finden Sie hier.

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UBSKM startet Aktionswoche „Vertrauen – aber sicher! Gemeinsam gegen Missbrauch“


18.11.20021. Beim diesjährigen Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexueller Gewalt rückt mit dem Motto „making the circle of trust truly safe for children“ das Thema sexuelle Gewalt gegen Kinder in der Familie oder im sozialen Nahfeld in den Vordergrund. „Vertrauen – aber sicher! Gemeinsam gegen Missbrauch“ heißt deshalb auch die Aktionswoche des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), die am 18.11. startet.
„Vertrauen – aber sicher“ soll darauf aufmerksam machen, dass gerade im engsten Vertrauenskreis, in Familien und im sozialen Nahfeld, sexualisierte Gewalt am häufigsten stattfindet – obwohl gerade dort Kinder und Jugendliche sich sicher fühlen sollten. „Circle of trust“ („Kreis des Vertrauens“) meint dabei Familienmitglieder ebenso wie Personen aus dem sozialen Umfeld wie z. B. Fachkräfte in der Kinder- und Jugendhilfe.

Um auf das Thema Sexualisierte Gewalt in Familien und dem sozialem Nahfeld aufmerksam zu machen, gibt es vom 15. bis 21. November 2021 eine Reihe von Aktionen auf den Social-Media-Kanälen des UBSKM @Missbrauchsbeauftragter). So findet am 18. November auf dem Instagram-Kanal ein  „Instagram Live“ mit Sonja Howard (Mitglied im Betroffenenrat), Tanja von Bodelschwingh (Beraterin beim Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch) und Nadine Finke (Fachberaterin bei Wildwasser Oldenburg) statt, moderiert von der Journalistin Maria Popov.

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Landeskabinett NRW beschließt Entwurf für Kinderschutzgesetz

Köln, den 10.11.21. Die Landesregierung NRW will den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gefährdungen ihres Wohls maßgeblich verbessern. Am 9.11. hat sie  darum einen Entwurf für ein Kinderschutzgesetz beschlossen, welcher im nächsten Schritt in die Verbändeanhörung geht. Mit diesem Entwurf greift die Landesregierung die aktuellen politischen und fachlichen Forderungen an einen wirksamen Kinderschutz auf und formuliert konkrete Maßnahmen, die die Qualität des Kinderschutzes stärken und die strukturellen Rahmenbedingungen verbessern sollen. Familienminister Stamp (Foto) erklärte in Düsseldorf: „Wir möchten, dass Nordrhein-Westfalen das bundesweit modernste Kinderschutzgesetz bekommt und den Kinderschutz beständig weiterentwickeln.“ Hier finden Sie die Kernpunkte des Entwurfs.

Quelle: www.mkffi.nrw. Foto: (c) Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration | Foto: H. Severin

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Täter*innen und ihre Strategien


Wer Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt schützen möchte, muss sich mit Täter*innen und ihren Strategien auseinandersetzen. Denn noch immer herrschen diesbezüglich zahlreiche Mythen und Vorurteile vor. So ist es in den meisten Fällen nicht etwa der fremde (männliche) Täter im schwarzen Van, der vor der Kindertageseinrichtung oder der Schule auf seine Chance lauert. Sexualisierte Gewalt wird auch nicht vorrangig von Personen verübt, die eine Präferenz für kindliche Körperschemata haben, also pädosexuell sind.

Wer ist es dann? 

  • 50-75% der Täter*innen kommen aus dem sozialen Nahfeld der Betroffenen, häufig auch aus der Familie. Sexualisierte Gewalt findet aber auch in Einrichtungen statt, in denen wir die Jungen* und Mädchen* gut aufgehoben glauben.
  • 85-90% der Taten werden von Männern verübt, schätzen Expert*innen – der Anteil von Frauen liegt somit bei 10-15 %. Der Mythos der „guten“ Mutter vernebelt dabei den Blick auf Grenzverletzungen und Gewalt durch Frauen.
  • Taten werden in erster Linie von Menschen begangen, die keine bzw. keine ausschließliche sexuelle Präferenz für Kinder bzw. Pubertierende haben. Täter*innen nutzen ihre Macht- und Autoritätsposition sowie die Zuneigung und Abhängigkeit von Kindern und Jugendlichen aus, „um ihre eigenen (sexuellen, emotionalen und sozialen) Bedürfnisse auf Kosten der Kinder und Jugendlichen zu befriedigen.“[1] Täter*innen kommen in jeder sozialen Schicht vor, sie sind Männer* und Frauen* unabhängig ihrer sexuellen Orientierung.
  • Menschen, die sexualisierte Gewalt ausüben, sind nach außen hin oft unauffällig und verfügen über viele Taktiken, um unentdeckt zu bleiben. Deswegen sprechen wir auch von Täter*innen-Strategien.

Aufgrund der hohen Dunkelziffer sind verbindliche Aussagen über Häufigkeiten jedoch nicht möglich. Die Ergebnisse von Studien zur sexualisierten Gewalt an Kindern und Jugendlichen variieren nach der Definition von sexualisierter Gewalt, dem Studiendesign, der Stichprobe und auch der Informationsquelle. Für Fachkräfte sind diese Fakten letztlich nicht entscheidend. Wichtig ist die Tatsache, dass sie im Arbeitsalltag immer wieder Mädchen* und Jungen* begegnen werden, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Gleichzeitig geht damit einher, dass sich zwangsläufig auch Berührungspunkte zu Täter*innen ergeben. Deswegen ist es erforderlich, sich mit der Thematik fachlich auseinanderzusetzen und eine professionelle Haltung zum Thema Nähe-Distanz zu entwickeln.

Wie gehen Täter*innen vor?

  • In der Regel gehen planen Täter*innen ihre Taten sorgfältig. Diese strategische Vorbereitung wird als Grooming-Prozess bezeichnet, womit gemeint ist, dass Täter*innen das Schamempfinden von Kindern sukzessive zu erweitern versuchen und diese sowie deren Umfeld manipulieren.
  • Die Betroffenen erhalten besondere Aufmerksamkeit und werden durch Täter*innen von der Gruppe und von ihren Bezugspersonen isoliert.
  • Täter*innen schaffen Gelegenheiten, um mit dem Kind/Jugendlichen alleine sein zu können. Es werden Berührungen eingeführt, die für das Beziehungsgefüge und den Kontext völlig unangemessen sind.
  • Täter*innen stellen gemeinsame Geheimnisse her und sprechen Schweigegebote aus, damit sich die Betroffenen niemandem öffnen. Sie suggerieren Betroffenen eine Mitverantwortlichkeit am Geschehen und drohen, dass bei der Offenlegung der Gewaltsituation von Seiten der Betroffenen etwas Schlimmes passieren werde.

Quelle:

[1] Deegener, Günther: Erscheinungsformen und Ausmaße von Kindesmisshandlung. Fachwissen­schaftliche Analyse. In: Heitmeyer, Wilhelm; Schröttle, Monika (Hg.): Gewalt. Beschreibungen Analysen Prävention, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2006 (= Schriftenreihe 563), S. 23-72

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Cybergrooming-Aufklärungsfilm

Die Landeszentrale für Medien NRW (LfM) hat einen Aufklärungsfilm zum Thema Cybergrooming in einer kurzen und einer längeren Version produziert. Das Video soll Kindern die wichtigsten Regeln und Vorsichtsmaßnahmen vermitteln, mit denen sie sich im Internet vor pädosexuellen Übergriffen schützen können.  Außerdem gibt es dort Begleitmaterial für den Unterricht in den Klassen 5-8. 

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Studie zu sexualisierter Gewalt in der Familie

Berlin, den 7.9.2021. Die Familie genießt als privater Raum einen besonderen gesetzlichen Schutz. Für Kinder und Jugendliche, die sexuelle Gewalt in der Familie erleben, kann dieser Schutz zum Verhängnis werden. Die Ergebnisse einer heute veröffentlichten Studie der Aufarbeitungskommission zeigen neben dem Spezifischen sexuellen Kindesmissbrauchs in der Familie auch die Verantwortung unserer Gesellschaft für Hilfe und Aufarbeitung in diesem Tatkontext auf.

Ein zentrales Merkmal von Familie als Tatkontext ist die Möglichkeit der Täter oder Täterinnen sowie anderer Beteiligter, sich nach außen abzuschotten, den Anschein von Normalität aufrechtzuerhalten und so einem betroffenen Kind alle Auswege aus der Gewalt zu versperren. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Tatkontexten ist, dass Kinder ihre Familie meist nicht einfach verlassen können wie z.B. eine Schule oder einen Sportverein. Kinder bleiben der sexuellen Gewalt in der Familie somit oft über einen langen Zeitraum ausgeliefert.

Die Analyse der Betroffenenberichte zeigt auf, dass Kinder und Jugendliche Signale gesendet und versucht haben, sich jemandem anzuvertrauen. Vertrauenspersonen in der Familie wie zum Beispiel Mütter benötigen ihrerseits gute Unterstützung und Beratung, um ihr Kind schützen zu können. Und Vertrauenspersonen außerhalb der Familie in der Schule oder einem Verein müssen wissen, wie sie helfen können.

Die Studie verdeutlicht, welche weiteren Aufarbeitungsschritte nötig sind. So ist auf der Basis von Betroffenenberichten zu klären, wie Jugendämter agiert haben und ob und wie Hilfe wirkungsvoll war. Hierzu hat die Kommission jüngst eine Fallstudie in Auftrag gegeben.

Betroffene fordern, dass neben der gesellschaftlichen Aufarbeitung auch in der einzelnen Familie selbst aufgearbeitet werden muss. Auch hierfür benötigen Familien fachliche Beratung und Unterstützung. Diese ist für Angehörige bisher kaum verfügbar.

www.aufarbeitungskommission.de

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