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Der Gewaltbegriff im Rechte- und Schutzkonzept

In diesem Text möchten wir darlegen, wie wir mit dem umfangreichen Gewaltbegriff im Landeskinderschutzgesetz umgehen. Zum Zweiten begründen wir, warum wir es wichtig finden Formen sexualisierter Gewalt hervorzuheben und spezifisch in den Blick zu nehmen, und erörtern die Möglichkeiten der Berücksichtigung im Schutzprozess.

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Wissen zu sexualisierter Gewalt

Überall da, wo Menschen miteinander in Beziehung treten, können Grenzverletzungen bzw. Formen sexualisierter Gewalt durch Erwachsene wie auch Kinder und Jugendliche vorkommen. Es ist entscheidend, damit bewusst, transparent und reflektiert umzugehen, um solche Fälle zu minimieren oder zu verhindern. Der folgende Text behandelt das Thema der sexualisierten Gewalt an Mädchen* und Jungen* durch Erwachsene ebenso wie die damit zusammenhängenden Fragen: Wer sind die Täter*innen sexualisierter Gewalt, und welche Gefährdungsrisiken gibt es für Mädchen* und Jungen*?

Fachliche Differenzierung (in Anlehnung an Enders/Kossatz 2012)

A. Grenzverletzungen sind Verhaltensweisen, die die persönlichen Grenzen anderer Personen, ihre Gefühle und ihr Schamempfinden überschreiten. Sie entstehen spontan und haben nicht das Ziel Grenzen zu verletzen. Daher resultieren Grenzverletzungen in der Regel aus mangelndem Bewusstsein einer Person in der jeweiligen Situation. Jeder Mensch hat das Recht zu bestimmen, wie viel Nähe er zwischen sich und anderen zulassen möchte.

Die Faktoren für eine Grenzverletzung sind nicht immer objektiv zu fassen, sie hängen mit dem subjektiven Erleben jedes Einzelnen zusammen. Wichtig ist die Reflexion, Bewusst-Machung und ggf. Aufarbeitung/Thematisierung mit den beteiligten Personen, deren Grenzen verletzt wurden. 

B. Sexualisierte Übergriffe unterscheiden sich von Grenzverletzungen durch die Massivität und Häufigkeit. Sie beschreiben vor allem nicht-zufällige körperliche Berührungen an intimen Körperstellen wie der (weiblichen) Brust, an Po oder Vulva/Penis oder die Bloßstellung intimer Körperstellen. Die Berührungen sind Teil des Verhaltensmusters von übergriffigen Personen und sind Ausdruck von fachlichen und persönlichen Defiziten. Sexualisierte Übergriffe können bereits Straftatbestände sein.

C. Sexualisierte Gewalt wird durch Erwachsene gegen Kinder und Jugendliche ausgeübt. Dazu zählen zum Beispiel (vaginale, anale, orale) Penetration, Masturbationshandlungen vor oder an Kindern und Jugendlichen sowie die Konfrontation mit pornografischen Inhalten. Die Täter*innen gehen bei der Ausübung ihrer Gewalthandlungen systematisch vor.

Insbesondere die hier aufgeführten Gewalthandlungen sind in Deutschland strafbar und werden im 13. Abschnitt des Strafgesetzbuches unter „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ benannt.

Die Übergänge zwischen Grenzverletzungen, Übergriffen und Gewalthandlungen sind fließend und in der Praxis nicht immer klar voneinander zu trennen. Auch nutzen Täter*innen zum Beispiel bewusst (vermeintlich zufällige) Grenzverletzungen gegenüber Kindern und Jugendlichen, um ihre sexualisierten Gewalthandlungen vorzubereiten.

Alle aufgeführten Formen können für Betroffene körperliche und psychische Folgen nach sich ziehen. Insbesondere massive Übergriffe und sexualisierte Gewalthandlungen sind ein Risiko für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Für die Prävention ist es daher wichtig alle Formen zu berücksichtigen, Kinder und Jugendliche, welche diese erleben ernst zu nehmen und bereits bei vermeintlich „geringfügigen Grenzverletzungen“ zu intervenieren.

Sexualisierte Gewalt ist ein Phänomen, das einer klaren Sprache bedarf, um es greif- und damit bearbeitbar zu machen. Dies beginnt mit dem Begriff selbst, der sich aus der Fachwelt heraus als Alternative zum strafrechtlich derzeit noch gebräuchlichen Begriff des „sexuellen Missbrauchs“ entwickelt hat. Im Unterschied zum Missbrauchsbegriff markiert „sexualisierte Gewalt“ den Subjektstatus von Kindern und Jugendlichen, die nicht wie Objekte sexuell miss- und damit indirekt auch legitim gebraucht werden können. Diese Perspektive entzieht Täter*innen eine Rechtfertigungsstrategie für ihre Taten und weist deutlich deren Verantwortung als Gewaltausübende aus. Im Gegensatz zum Begriff „sexueller Missbrauch“ beschreibt der Terminus „sexualisierte Gewalt“ den Machtmissbrauch, der im Fokus steht, und distanziert sich dadurch von der gesellschaftlich immer noch weit verbreiteten Annahme, es handele sich meist darum, dass (männliche) Erwachsene ihre Libido nicht kontrollieren könnten.

Inhaltlich ist als sexualisierte Gewalt „jede sexuelle Handlung [zu verstehen], die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann“ (Deegener 2010, S. 22).

Täter*innen

Aktuellen Studien zufolge sind Täter*innen zu ca. 75-90 % männlich und zu 10-25% weiblich. Dabei werden Taten in erster Linie von Menschen begangen, die keine bzw. keine ausschließliche sexuelle Präferenz für kindliche oder jugendliche Körperschemata haben. Studienergebnissen zufolge kommen über 90% aus dem nahen sozialen Umfeld oder aus der Familie der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Ebenso können Organisationen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, zu Tatorten werden. 

Aus Fällen von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche ist bekannt, dass Täter*innen nicht aus dem Affekt handeln, sondern ihre Gewalthandlungen strategisch geplant und vorbereitet sind.

Sie gehen also nicht willkürlich vor, sondern setzen vor allem auf Manipulation des Umfeldes. Je nach Tatkontext vernebeln sie die Wahrnehmung der Erwachsenen (z.B. Familienmitglieder oder Fachkräfte), hebeln Regelungen aus und schaffen insgesamt einen Raum, in dem sexualisierte Gewalt unentdeckt möglich wird.

Bei den betroffenen Kindern und Jugendlichen verschieben sie schrittweise die psychischen und körperlichen Grenzen und bringen sie in ein emotionales Abhängigkeitsverhältnis. Neben sexualisierten Gewalthandlungen üben die Täter*innen vor allem auch psychische Gewalt aus, um die Betroffenen unter Druck zu setzen oder ihnen Angst zu machen. So wollen sie letztlich verhindern, dass sich die Betroffenen Unterstützer*innen anvertrauen.

Zwar zeigt sich in der Praxis, dass dieses Vorgehen durch Täter*innen wirksam ist. Jedoch liefert es ebenfalls Anknüpfungspunkte für die Präventionsarbeit, um Täter*innen abzuschrecken und Betroffene zu unterstützen.


Betroffene Kinder und Jugendliche

Analog zu dem Mythos, dass ausschließlich Männer sexualisierte Gewalt ausüben, erweist sich auch die Vorstellung als unzutreffend, dass primär Mädchen* von dieser Gewaltform betroffen sind. Vielmehr stellt sich das Geschlechterverhältnis der Betroffenen ausgeglichener dar als das der Täter*innen. Betroffen sind zudem Jungen* und Mädchen* jeden Alters und Aussehens und jeder sozialen Schicht. Denn wen die Täter*innen auswählen, hängt nicht zuletzt maßgeblich von den individuellen Präferenzen und Gelegenheitsstrukturen ab.

Sexualisierte Gewalt ist ein Phänomen, das prinzipiell alle Menschen betreffen kann. Aber nicht alle Menschen sind gleich gefährdet. Besonders vulnerable Gruppen sind etwa Kinder und Jugendliche mit Behinderungen, queere Kinder und Jugendliche sowie junge Geflüchtete. Der Grund dafür ist, dass diese z.B. einer erhöhten Abhängigkeit unterliegen und auf Unterstützung anderer angewiesen sind. Das Risiko, betroffen zu sein, ist außerdem erhöht bei Schwierigkeiten, eigene Bedürfnisse und Gefühle angemessen auszudrücken. Auch werden diese Gruppen häufiger ausgegrenzt und diskriminiert und sind damit empfänglicher für die Manipulationsstrategien von Personen, die sexualisierte Gewalt ausüben möchten. Sie sind somit aufgrund ihrer besonderen Lebensumstände oder ihrer Identität vermehrt betroffen/gefährdet und haben oft weniger Zugang zu Schutzmechanismen. Es ist wichtig, das Bewusstsein für diesen Umstand zu schärfen und dies bei der Entwicklung von Schutzprozessen und der Gestaltung von Prävention zu berücksichtigen.

Betroffene Kinder und Jugendlichen erleben die sexualisierten Gewaltdynamiken als etwas Traumatisches und dies geht mit unterschiedlichen psychischen und körperlichen Symptomen der Belastung einher. Allerdings gibt es keine spezifischen Symptome und Anzeichen für sexualisierte Gewalt, und Unterstützer*innen (z.B. Familienmitglieder, Freund*innen oder Fachkräfte) erkennen Betroffene in ihrem Umfeld nicht immer auf Anhieb. Wenn Menschen einen Verdacht auf sexualisierte Gewalt in ihrem beruflichen oder privaten Umfeld haben, empfiehlt es sich eine spezialisierte Fachberatungsstelle zu kontaktieren und das weitere Vorgehen zu besprechen.

Quellen:
Deegener, Günther: Kindesmissbrauch. Erkennen – helfen – vorbeugen. 5. komplett überarb. Aufl., Weinheim & Basel 2010.
Enders, Ursula/Kossatz, Yücel: Grenzverletzung, sexueller Übergriff oder sexueller Missbrauch? In: Enders, Ursula: Grenzen achten: Schutz vor sexuellem Missbrauch in Institutionen. Ein Handbuch für die Praxis. 1. Aufl., Köln 2012, S. 30-53.


Grenzverletzungen und sexualisierte Gewalt durch Kinder und Jugendliche

Auch Kinder und Jugendliche können sexualisierte Gewalt aneinander verüben. Wann sind sexualisierte Handlungen hier als unzulässig zu betrachten und was in dieser Hinsicht zu beachten?

Grenzüberschreitungen und sexualisierte Gewalt werden nicht nur durch Erwachsene an Kindern und Jugendlichen verübt, sondern auch durch andere Kinder und Jugendliche. Diese Konstellationen sind in den letzten Jahren insbesondere in Verbindung mit den Kontexten Schule und (soziale) Medien verstärkt in den Fokus von wissenschaftlicher und pädagogischer Praxis gerückt. Sie sind jedoch überall dort ein potenzielles Thema, wo Kinder und Jugendliche einander analog oder digital begegnen. Gerade im digitalen Raum ist es dabei nicht zwangsläufig der Fall, dass Kinder und Jugendliche in sozialen Beziehungen zueinander stehen.

Wann sind sexualisierte Kontakte unzulässig?

Sexualisierte Kontakte von Erwachsenen mit Kindern bzw. Jugendlichen lassen sich aufgrund der immanenten Alters-, Macht-bzw. Entwicklungsdifferenz – auch vor dem Hintergrund der damit zusammenhängenden Rechtslage –  eindeutig als unzulässig klassifizieren.

Die Beurteilung vergleichbarer Kontakte durch Kinder und Jugendliche in Abhängigkeit von den Alters- bzw. Entwicklungsphasen und sozialen Beziehungen der Beteiligten stellt sich dagegen komplexer dar. So steht etwa kindlichem Explorationsverhalten in Form von Körpererkundungsspielen („Doktorspielen“) und Ähnlichem ebenso wenig entgegen wie einvernehmlichen sexuellen Handlungen zwischen Jugendlichen. Grenzüberschreitend werden diese und andere Praktiken dann, wenn sie gegen den Willen vollzogen werden oder beteiligte Kinder bzw. Jugendliche aufgrund von Alters- bzw. Entwicklungs- oder Machtgefällen nicht im Stande sind, frei und im Bewusstsein um das Geschehen einzuwilligen. Angst, Druck oder Zwang sind klare Hinweise darauf, dass Grenzen überschritten werden.  

Dabei können die Übergänge von einvernehmlichen Handlungen hin zur Überschreitung von Grenzen und Übergriffen fließend sein. Beispiele für sexualisierte Übergriffe sind etwa sexualisierte Beleidigungen, das unerwünschte Zeigen oder Berühren von Geschlechtsteilen, das Aufzwingen von Küssen, das Erzwingen oder ungefragte Weiterleiten intimer bzw. pornografischer Bilder und Videos. Beratungsstellen können vor diesem Hintergrund Fachkräfte bei der Beurteilung von Situationen unterstützen

Ab wann Grenzüberschreitungen als sexualisierter Übergriff gekennzeichnet werden müssen, hängt ab von

  • deren Intensität,
  • dem Alters- und Entwicklungsstand der Beteiligten bzw. Betroffenen,
  • und der Intention des Kindes bzw. der jugendlichen Person, das/die mit dem Handeln eine Grenze überschreitet.

Stigmatisierungen vorbeugen

Grundsätzlich hat sich in Fachkreisen im Zusammenhang mit Kindern und Jugendlichen außerhalb des strafrechtlichen Kontextes die Rede von „grenzüberschreitenden/übergriffigen“ und „betroffenen“ Kindern bzw. Jugendlichen etabliert. Diese beugt durch den Verzicht auf die Label „Täter*in“ und „Opfer“ damit verbundenen Stigmatisierungen vor. Gleichzeitig schafft sie Raum dafür, auch grenzüberschreitende bzw. gewaltausübende Kinder bzw. Jugendliche trotz Anerkennung der Folgen für Betroffene als hilfebedürftig zu begreifen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass – entgegen des verbreiteten Glaubens – die Ausübung sexualisierter Gewalt nicht zwangsläufig auf eigene Gewalterfahrungen hindeutet.

Pädagogisches Handeln gefragt

Grenzüberschreitungen und sexualisierte Gewalt durch Kinder und Jugendliche stellen grundsätzlich einen pädagogischen Handlungsanlass dar, dem Fachkräfte und / oder Eltern zeitnah und zielgerichtet begegnen sollten. Die Maßgabe besteht darin, dass betroffene Kinder und Jugendliche bei der Bearbeitung ihrer Erfahrungen (professionell) unterstützt und grenzüberschreitende Kinder und Jugendliche zur Einsicht und Verhaltensänderung befähigt werden. Sexualpädagogische Ansätze helfen auch präventiv dabei, den Umgang mit eigenen und fremden Grenzen zu erlernen. Zudem stellen positive Bindungen zu Gleichaltrigen eine wichtige Ressource da, die es unter anderem Betroffenen erleichtert, sich mit ihren Gewalterfahrungen anzuvertrauen („Disclosure“), ehe diese ggf. mit Erwachsenen geteilt werden.

Allerdings sind dabei besonders die Beziehungsdynamiken zwischen den beteiligten Kindern und Jugendlichen zu beachten. Ein „klärendes Gespräch“, in dem sich alle an einen Tisch setzen und „die ‚Sache‘ mal besprechen,“ ist als Sofortmaßnahme unzulässig. Zunächst sollten die Situation eingeschätzt und insbesondere die Bedürfnisse der betroffenen Kinder und Jugendlichen abgeklärt werden, bevor weitere Maßnahmen eingeleitet werden. Die Hinzunahme von Fachberatungsstellen bietet sich hier ebenfalls an, um fachlich angemessenes Handeln zu gewährleisten.

Sexualisierte Gewalt im digitalen Raum

Digitale Medien sind aus dem Leben von Kindern und Jugendlichen nicht mehr wegzudenken. Sie bringen viele Möglichkeiten und Chancen mit sich. Mit Blick auf den Themenkomplex sexualisierter Gewalt bergen sie aber auch Risiken. Prävention muss darum immer auch aktuelle digitale Lebenswelten mitdenken.

Digitale Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen

Ein wachsender Teil von Kindern besitzt heute bereits im Grundschulalter ein eigenes Smartphone (vgl. Berg 2022, S. 3). Junge Menschen wachsen in einer digitalisierten Welt auf, in der Online- und Offline-Welt miteinander verschränkt sind – sie erleben die vielfältigen Möglichkeiten, sich bildbasiert mitzuteilen und selbst darzustellen, als selbstverständlich. Digitale Medien sind zu einem zentralen Bestandteil gesellschaftlicher Teilhabe geworden: Ihre Nutzung geht einher mit der Kommunikation unter Gleichaltrigen, der Organisation des Alltags, der Beschaffung von Informationen und dem Experimentieren mit sozialen Verhaltensweisen. Zentrale Entwicklungsthemen von Kindern und Jugendlichen werden bedient, wie z. B.: Was kommt an, was wird abgelehnt oder ignoriert? 

Formen von sexualisierter Gewalt im digitalen Raum

Cybergrooming ist eine Form sexualisierter Grenzverletzungen im Internet, bei der durch gezielte, strategisch geplante Ansprache versucht wird, sexuelle Kontakte zu Kindern und Jugendlichen anzubahnen. Im digitalen Raum ist es leicht möglich, eine falsche Identität oder falsche Absichten vorzutäuschen. Gerade Kinder und Jugendliche, denen es in ihrem Umfeld an Zuwendung mangelt oder die ausgegrenzt werden, lassen sich eher auf eine persönliche Kommunikation mit Online-Bekanntschaften unter Vortäuschung falscher Identität oder Absichten ein (vgl. ARD 2022). Das Spektrum reicht von grenzverletzender Anmache über Belästigung und Stalking bis hin zur Anbahnung von schweren Straftaten.

Bei der der sogenannten „Loverboy-Masche“ (vgl. KoK 2011 und Norak 2019) nutzen kriminelle Männer die Unerfahrenheit von teils minderjährigen Mädchen* aus, um sie im Netz anzusprechen, zu manipulieren und schließlich in die Prostitution zu zwingen. Der Begriff „Loverboy“ ist dabei stark verharmlosend. Es handelt sich bei diesen Tätern um Menschenhändler, die eine bestimmte Strategie haben, um Mädchen* und Frauen in die Prostitution zu zwingen. Die Methode beruht größtenteils auf emotionaler Gewalt. Schwierig ist, dass sich der Begriff bereits in der breiten Öffentlichkeit etabliert hat, häufig aber in der Berichterstattung der Bezug zum Thema Menschenhandel fehlt.

Sexting setzt sich aus „Sex“ und dem englischen Wort „texting“ (eine Nachricht versenden) zusammen. Dabei geht es um Menschen (zumeist Erwachsene), die sich nackt oder leicht bekleidet selbst fotografieren und diese Bilder verschicken. Mit dem verbreiteten Smartphone-Besitz immer jüngerer Altersgruppen ist Sexting nicht nur zu einer Praxis unter Erwachsenen, sondern auch unter Jugendlichen geworden. Sexting unter Jugendlichen ist nicht per se ein Problem: „Als Variante intimer Kommunikation kann das Austauschen von erotischen Aufnahmen Nähe und Vertrauen, einen positiven Zugang zu Körperlichkeit und zu der eigenen Sexualität ausdrücken.“ (Döring 2014) Zu sexualisierten Übergriffen kann es kommen, wenn intime Aufnahmen nicht-einvernehmlich versendet und verbreitet werden mit dem Ziel, eine Person bloßzustellen und zu entwerten. Dies kann z.B. „aus Spaß“ oder nach Beendigung einer Beziehung erfolgen („Sharegewaltigung“). In diesem Fall handelt es sich um eine Form von sexualisierter (Peer-)Gewalt mit Medienunterstützung. 

Weitere Formen sexualisierter Gewalt mit Medienunterstützung sind: 

  • sexuelle Belästigung und Übergriffe, z.B. durch Versenden von Genitalabbildungen (Dick Pics) oder Veröffentlichung manipulierter Nacktaufnahmen
  • anzügliche Nachrichten 
  • sexistische Beleidigungen und Hasskommentare 
  • Beschämungen, die das Aussehen/den Körper betreffen (Bodyshaming)
  • Einschüchterung durch Androhung sexualisierter Gewalt, die bis in das reale Leben reicht und zu realen Übergriffen führt
  • Erpressung mit intimen Aufnahmen (Sextortion)
  • das Herstellen von nicht-einvernehmlichen, heimlichen Fotos, die den Blick unter den Rock einer Person ermöglichen (Upskirting)
  • reale Bedrohungslagen, z.B. durch Veröffentlichung privater Fotos oder Daten wie etwa Wohnort (Doxing)

Prävention

Grenzachtendes Verhalten sich selbst und anderen gegenüber ist ein zentraler Baustein der Prävention von sexualisierter Gewalt. Fachkräfte sollten deshalb die Medienkompetenz der Eltern in den Blick nehmen und sie in ihrer Vorbildrolle stärken. Denn Eltern, die die Grenzen des Kindes nicht wahren, posten mitunter schon von sehr jungen Kindern bedenkenlos Fotos oder Videos im Netz und verletzen damit den persönlichen Intimbereich des Kindes (Sharenting).

Erziehungsverantwortliche – auch in Organisationen – sollten für einen sorgsamen, respektvollen Umgang mit Kinderaufnahmen in der digitalen Welt sensibilisiert werden.

Das Deutsche Kinderhilfswerk hat einige Tipps für den Umgang mit Kinderfotos zusammengestellt.
Auch die medienpädagogische Initiative „SCHAU HIN! – Was dein Kind mit Medien macht“ hat Informationen und Tipps zusammengetragen.

Tipps zum Schutz vor Cybergrooming:

Um sich vor Cybergrooming zu schützen, hat das medienpädagogische Online-Portal „klicksafe“ hilfreiche Hinweise und Materialien zusammengestellt:

https://www.klicksafe.de/cybergrooming
https://www.klicksafe.de/materialien/stark-gegen-sexuelle-belaestigung-im-netz

Es könnte für die Prävention hilfreich sein, sexualpädagogische Ansätze mit einzubeziehen.  Reflexionsfragen könnten z.B. sein:

  • Welche Vorteile bietet die Selbstinszenierung im digitalen Raum?
  • Wie können wir Jugendliche in ihrer sexuellen Selbstbestimmung fördern? Wie kann Konsensbildung gelingen?
  • Was ist wichtig, wenn ich sexualisierte Gewalt mitbekomme?

Der Debatte über das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung ab 14 Jahren stehen möglicherweise geschlechterstereotype Vorstellungen gegenüber. Hier wird ein Perspektivwechsel erforderlich: Weg vom leider noch stark verbreiteten Victim Blaming (also davon, Betroffene verantwortlich zu machen) und sogenanntem Slut-Shaming (sexistischer Beleidigung insbesondere gegenüber Frauen und Mädchen*) hin zu einem grenzwahrenden Umgang mit Bildern und Privatsphäre. Hinzu kommt, dass Jugendliche über Strafbarkeiten im digitalen Raum nicht aufgeklärt sind. Sie können sich durch das nicht-einvernehmliche Weiterleiten von intimen Aufnahmen strafbar machen.

Um Übergriffe im digitalen Raum zu verhindern und Betroffenen wirksam zu helfen, fordert die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM), dass Online-Risiken auch Berücksichtigung in Schutzkonzepten von Einrichtungen und Organisationen finden müssen. Einzelne Bestandteile und Best-Practice-Beispiele werden ausführlich beschrieben unter: digital.kein-raum-fuer-missbrauch.de 

Quellen:

ARD: Eltern müssen sich in den digitalen Raum selbstständig einarbeiten. Interview mit dem Kriminologen Thomas-Gabriel Rüdiger (abgerufen am 25.3.2022) 

Berg, Achim: Bitkom-Research: „Kinder und Jugendliche in der digitalen Welt.“ Berlin 2019, S. 3 (abgerufen am 15.12.2021)

Döring, Nicola: „Warum Sexting unter Jugendlichen (k)ein Problem ist“ (2014; abgerufen am 15.2.2022)

KoK Bundesweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel und Gewalt an Frauen im Migrationsprozess e.V. (Hrsg.): Expertise zum Thema deutsche Betroffene von Menschenhandel. Berlin 2011.

Norak, Sandra: Stellungnahme zur Vorlage 17/1796 im Rahmen der Öffentlichen Anhörung zur Entwicklung der sogenannten „Loverboy-Methode“ zur Erzwingung von Prostitution in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf 2019.

Prävention

Prävention von sexualisierter Gewalt hat zahlreiche Facetten und muss bei verschiedenen Personengruppen und auf unterschiedlichen Ebenen ansetzen.

Prävention kann viel und Prävention ist vielfältig. Ein Schwerpunkt präventiven Agierens liegt darin, Mädchen* und Jungen* zu befähigen, ihre Gefühle und ihre Grenzen wahrzunehmen sowie sie für die Grenzen anderer zu sensibilisieren. Prävention unterstützt Kinder und Jugendliche darin, ihr Gefühlsspektrum zu erweitern und ihren Eigensinn wahrzunehmen. Sie macht ihnen Mut, ihre Grenzen nach außen zu vertreten – auch gegenüber Erwachsenen – und sich Unterstützung zu holen, wenn sie nicht weiterwissen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass sich Prävention nicht ausschließlich an Kinder richtet. Wir Erwachsenen sind vorrangig für den Schutz von Kindern und Jugendlichen zuständig. Prävention bedeutet Aufklärung und Wissen für Erwachsene. Das Zutagetreten von sexualisierter Gewalt in organisationalen Kontexten, in Kindertagesstätten, Schulen, Vereinen und Verbänden hat uns verdeutlicht, dass wir noch lange nicht genug tun, um Kinder und Jugendliche in ihrer jeweiligen Lebenswelt ausreichend zu schützen.

Auseinandersetzung mit Stereotypen

Zur Prävention gehört es, sich mit unseren Stereotypen, mit den Denk- und Handlungsmustern auseinanderzusetzen, die unsere pädagogische Praxis prägen, und Mythen freizulegen, die sich um das Thema ranken. So herrscht etwa die weit verbreitete falsche Annahme vor, dass hauptsächlich fremde Männer sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen ausüben. Weiterhin ist Fakt, dass Frauen als Täterinnen bei uns kaum oder gar nicht ins Blickfeld geraten. Frauen wird in der Regel in der Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen, also im pädagogischen Alltag, viel mehr an Handlungen zugestanden, die körperliche Nähe mit sich bringen können, als Männern. Der Mythos der „guten Mutter“ sitzt tief und dass auch Frauen Gewalt ausüben, lässt sich nur schwer mit unserem Bild der vermeintlichen weiblichen Fürsorglichkeit und Sanftheit vereinbaren. Wir Erwachsenen sind dazu angehalten, unsere Vorstellungen von Weiblich- und Männlichkeiten zu überprüfen, um Interaktionen zwischen Kindern bzw. Jugendlichen und Erwachsenen in professionellen Kontexten angemessen bewerten zu können.

Querschnittlich zu den beschriebenen Dimensionen von Prävention und darüber hinaus bedeutet präventives Arbeiten auch, Sexismus in Gesellschaftsstruktur und Sprache entschieden entgegenzutreten. Dies gilt zum Beispiel für sexistische Diskriminierungen als Form der Abwertung von Mädchen* und für das Bild des „starken Mannes“, unter dem Jungen* keine Schwäche zeigen dürfen – beides Aspekte, die den Strategien von Täter*innen in die Hände spielen können.

Wissen schafft Sicherheit

Eltern und Fachkräfte benötigen Wissen über Strategien von Täter*innen, denn: Sexualisierte Gewalt geschieht nie spontan, sondern ist immer eine gut geplante Tat. Täter*innen verfügen über zahlreiche Strategien, um unentdeckt zu bleiben. Sie manipulieren über einen längeren Zeitraum Menschen in ihrem sozialen Umfeld und bereiten die Tat strategisch vor. Der sogenannte Grooming-Prozess beinhaltet, dass Täter*innen das Schamempfinden von Kindern und Jugendlichen sukzessive zu erweitern versuchen. Mädchen* und Jungen*, die um ihre Grenzen und Rechte wissen, werden sich eher anvertrauen, wenn sie ein unangenehmes Gefühl haben. Dazu gehört auch eine erlernte Sprechfähigkeit in sexuellen Dingen und die explizite Erlaubnis, darüber zu reden.

Prävention muss auf struktureller, räumlicher und pädagogischer Ebene in einer Einrichtung verankert werden. Deswegen ist es so wichtig, dass Institutionen ein Rechte- und Schutzkonzept mit vielen verschiedenen Bausteinen entwickeln, um ihre Einrichtung für Mädchen* und Jungen* sicher zu gestalten. Hier finden Sie ausführliche Informationen dazu.

Leitung und Mitarbeiter*innen einer Einrichtung, in der sich Kinder und Jugendliche aufhalten, haben die Verantwortung, Kinder und Jugendliche zu schützen und in der Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer subjektiven Grenzen zu stärken. Gleichzeitig müssen sie Täter*innen durch Intervention und Sanktion Grenzen setzen. Für Betroffene ist der letzte Punkt besonders wichtig, weil er zeigt, wo die Verantwortlichkeit liegt: nämlich beim Erwachsenen, der die Grenzverletzung bzw. sexualisierte Gewalt verübt hat.


Sexuelle Bildung

Sexuelle Bildung ist vielseitig und trägt dazu bei, das Risiko von sexualisierter Gewalterfahrung zu minimieren.

Ein zentraler Baustein der Prävention von sexualisierter Gewalt ist die sexuelle Bildung. Die Wichtigkeit der Thematik und die Verbindung beider Komplexe wird oftmals nicht ausreichend mitgedacht. Der Umgang von Kindern und Jugendlichen mit dem eigenen sexuellen Erleben, dem eigenen Körper und die verbale wie mediale Kommunikation darüber können in erheblichem Maße zu ihrem Schutz oder gegenteilig zu ihrer Vulnerabilität beitragen. Sexuelle Bildung umfasst dabei mehr als Informationen zu geschlechtlicher Körperfunktion, Schwangerschaft und Geburt. Es geht um eine kind- und altersgemäße Sexualerziehung, die Mädchen* und Jungen* von Geburt an in ihrer individuellen Persönlichkeit stärkt.

Mädchen* und Jungen* sind insbesondere dann durch sexualisierte Gewalt gefährdet, wenn sie auf ihre Fragen zur Sexualität und zu ihrem Körper keine altersangemessenen oder überhaupt keine Informationen erhalten.

Sexualfreundliche Erziehung gewährleisten

Mit einer sexualfreundlichen Erziehung können Kinder und Jugendliche lernen, eigene Grenzen und die anderer Mädchen* und Jungen* sowie Erwachsener kennenzulernen und zu respektieren. Dass dadurch die sexuelle Aktivität von Kindern verstärkt werde, ist ein Irrglaube. Mädchen* und Jungen* sind von Natur aus neugierig und entdecken ihre Welt. Sie brauchen dabei keine Erwachsenen, die alles wissen. Aber sie wünschen sich Bezugspersonen, die ihren Fragen offen begegnen und einen Raum für alle Themen ihrer Lebenswelt schaffen.

Wichtige Aspekte der Prävention von sexualisierter Gewalt sind z.B.:

  • die Stärkung des kindlichen Selbstwertgefühls
  • die Selbstbestimmung über den eigenen Körper
  • die Wahrnehmung eigener Emotionen
  • die Wertschätzung des eigenen Körpers
  • das Vertrauen in eigene Gefühle
  • das Kennenlernen von Grenzen
  • die Bedeutung der kindlichen sexuellen Entwicklung in den Blick zu nehmen
  • den informierten und bewussten Umgang mit medialen Selbstdarstellungen

Der Mensch ist von Geburt an ein sexuelles Wesen. Die psychosexuelle Entwicklung von Kindern ist genauso wichtig wie ihre körperliche, kognitive, emotionale und soziale Entwicklung, bei der Eltern und Erzieher*innen idealerweise auch im regelmäßigen Austausch miteinander stehen. Es geht dabei um Lernprozesse und um zwischenmenschliche Beziehungen, die begleitet werden wollen. Der Weltgesundheitsorganisation zufolge ist sexuelle Gesundheit untrennbar mit Gesundheit insgesamt, Wohlbefinden und Lebensqualität verknüpft (vgl. BZgA 2011, S. 7). Dies bedeutet aber auch, dass Kinder Sexuelles beschäftigt, dass sie sich darin ausprobieren, Neues adaptieren oder verwerfen, Fragen stellen. Und es heißt, dass sie ab und zu auch Unterstützung benötigen, weil sie in Situationen geraten können, für die selbst wir Erwachsenen oftmals keine Blaupause haben.

Das heißt, dass sexuelle Bildung in der frühen Kindheit Einzug in die Lebenswelt von Mädchen* und Jungen* erhalten sollte. Prävention beginnt hier! Im Elternhaus, in der Kindertagesstätte, bei Tagesmüttern und -vätern und in der Schule.

Mehr zu sexueller Bildung als Baustein im Rechte- und Schutzkonzept hier.

Quelle:

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (Hrsg.): Standards für die Sexualaufklärung in Europa. Köln 2011, S. 7.



Intervention

Wie lässt sich sexualisierte Gewalt erkennen und durchbrechen? Was muss dabei berücksichtigt werden?

Trotz umfassender präventiver Bemühungen können nicht alle sexualisierten Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche verhindert werden – umso wichtiger ist es, Gewaltdynamiken frühzeitig und gezielt zu durchbrechen.

Hierzu bedarf es zunächst der sensiblen Wahrnehmung von Anhaltspunkten, insbesondere von Hinweisen und Aussagen des Kindes bzw. der*des Jugendlichen, aber auch von Aussagen Dritter oder von Beobachtungen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Betroffene keine einheitlichen Verhaltensweisen zeigen, die zweifelsfrei auf sexualisierte Gewalterfahrungen hindeuten, da die individuelle Verarbeitung solcher Erlebnisse höchst unterschiedlich verläuft.

Die Gesamtbewertung aller Anhaltspunkte bildet die Grundlage jedweder Intervention, die je nach Fallkonstellationen insbesondere durch bzw. mit Unterstützung des Jugendamts erfolgen sollte. Auch die Hinzuziehung von Strafverfolgungsbehörden (Polizei, Staatsanwaltschaft) kommt im Zuge von Interventionen in Betracht. Jedoch sollte darüber gemeinsam mit bzw. im Sinne der Betroffenen entschieden werden, um deren Willen bzw. Wohl in den Mittelpunkt zu stellen – anders also, als sie es in der sexualisierten Gewalterfahrung erlebt haben. Zudem können die teils langwierigen Ermittlungen und Verfahren als erheblich belastend, sogar (re-)traumatisierend erlebt werden. Aus diesen Gründen gibt es in Deutschland keine Pflicht zur Anzeige von Straftaten durch sexualisierte Gewalt. Vorrangig ist der Schutz vor weiteren Gewalttaten und die Nachsorge für Betroffene.

Grundsätzlich gilt, dass Interventionsverläufe auch und gerade in unsicheren und hoch emotionalisierten Situationen planvoll und in Abstimmung aller relevanten Beteiligen vorbereitet und umgesetzt werden sollten. Breite Unterstützung für Kinder, Jugendliche, Eltern, Privatpersonen und Fachkräfte leisten dabei einschlägige Fachberatungsstellen. Je nach Berufsfeld müssen bzw. können sich alle Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, durch sogenannte Kinderschutzfachkräfte („insoweit erfahrene Fachkraft“ nach §§ 8a, 8b SGB VIII, § 4 KKG) anonymisiert beraten lassen. Auch die örtlichen Jugendämter leisten qualifizierte Beratung, auf Wunsch ebenfalls anonym im Vorfeld der formellen Meldung eines Gefährdungsverdachts.

Mehr zur Intervention mit Bezug auf Rechte- und Schutzkonzepte hier.


Nachsorge

Das Erleben von sexualisierter Gewalt ist insbesondere für betroffene Kinder und Jugendliche, aber auch für deren indirekt betroffenes Umfeld mit potenziell erheblichen Belastungen verbunden. Diesen gilt es im Anschluss an Interventionen zur Beendigung von Gewaltdynamiken zeitnah durch passgenaue Unterstützungsmaßnahmen zu begegnen.

Je nach individuellem Bedarf und Bedürfnis des Kindes oder Jugendlichen muss dies nicht zwangsläufig die Inanspruchnahme professioneller Hilfemaßnahmen bedeuten, sondern kann zunächst ein offenes Ohr und eine sensible Begleitung durch eine nahestehende Person sein. Ist das nicht ausreichend, so leisten Spezialisierte Fachberatungsstellen für sexualisierte Gewalt punktuelle oder phasenweise Beratung für Betroffene und deren Bezugspersonen und können zudem, sofern Betroffene nicht den direkten Weg dorthin suchen, psychotherapeutische Hilfen vermitteln. Fachkräfte können als Einzelpersonen oder in Teams häufig ebenfalls auf Fachberatungsstellen und zudem auf Supervisor*innen zurückgreifen.

Dort, wo sexualisierte Gewalt in organisationalen Kontexten – Vereine, Schulen, Wohngruppen etc. – verübt wurde, bedarf es zudem eines Aufarbeitungsprozesses. Dieser muss den Entstehungsprozess analysieren und vor diesem Hintergrund gezielte (Weiter-)Entwicklungsprozesse auf den Weg bringen, um Kinder und Jugendliche zukünftig besser zu schützen. Solche Prozesse bedürfen einer externen Begleitung, die neben den genannten Akteur*innen auch durch qualifizierte Organisationsberater*innen erfolgen kann. Mehr zur Aufarbeitung hier.


*Wir verstehen Gender, also die Geschlechtsidentität, als ein variables und sich entwickelndes Spektrum. Darum verwenden wir genderneutrale Formulierungen und das Gendersternchen. Mehr dazu hier