A. Grenzverletzungen, die unabsichtlich verübt werden. Darunter ist unprofessionelles Verhalten zu verstehen. Sie ergeben sich häufig aus einer „Kultur der Grenzverletzungen“, in der es geduldet wird, wenn verbal und körperlich grenzverletzend agiert wird.
Grenzverletzungen sind Verhaltensweisen, die persönliche Grenzen anderer Personen, ihre Gefühle und ihr Schamempfinden überschreiten. Jeder Mensch hat das Recht zu bestimmen, wie viel Nähe er zwischen sich und anderen zulassen möchte. Grenzen verändern sich, wenn sich Beziehungen zwischen Menschen wandeln. Die Faktoren für eine Grenzverletzung sind nicht immer objektiv zu fassen, sie hängen mit dem subjektiven Erleben von Menschen zusammen.
B. Sexuelle Übergriffe, die als Zeichen mangelnden Respekts gegenüber Kindern und Jugendlichen, fehlender pädagogischer Professionalität oder auch als Vorbereitung auf einen sexuellen Missbrauch einzuschätzen sind.
Sexuelle Übergriffe geschehen im Gegensatz zu Grenzverletzungen fast nie zufällig, sondern resultieren aus einem grundlegend fachlichen und persönlichen Mangel heraus und können Kindern und Jugendlichen sowohl körperlich als auch seelisch schaden.
C. Strafrechtlich relevante Formen sexualisierter Gewalt: Darunter werden sexuelle Nötigung, exhibitionistische Handlungen, Vergewaltigungen, sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen und Schutzbefohlenen sowie das Ausstellen, die Herstellung, der Handel und der Eigenbesitz kinderpornografischer Produkte verstanden.
Viele Grenzüberschreitungen finden im Arbeitsalltag unabsichtlich statt und sind unter der Rubrik „unprofessionelles Verhalten“ einzusortieren. Sexueller Missbrauch hingegen wird nie spontan oder „aus Versehen“ verübt, sondern ist immer von langer Hand geplant!
„Sexueller Missbrauch von Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind entweder gegen den Willen des Kindes vorgenommen wird oder der das Kind aufgrund körperlicher, seelischer, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen kann.“
(Deegener, Günther: Kindesmissbrauch. Erkennen – helfen- vorbeugen. 5. komplett überarb. Aufl., Weinheim & Basel 2010)
Neben dem Begriff des „sexuellen Missbrauchs“ hat sich der Begriff „sexualisierte Gewalt“ als wissenschaftlich richtige Bezeichnung durchgesetzt. Diese Begrifflichkeit macht deutlich, dass es sich in erster Linie um eine Gewalttat handelt, die mittels sexueller Übergriffe ihren Ausdruck findet. Sexuelle Handlungen werden benutzt, um Gewalt und Macht auszuüben. Für die Prävention und Aufklärung von Kindern, Jugendlichen und Eltern ist der Begriff „sexueller Missbrauch“ geläufiger. Auch im juristischen Sprachgebrauch ist von „sexuellem Missbrauch“ die Rede.
Wer sind die Täter*innen?
Die Täter sind zu ca. 85-90% männlich. Expert*innen gehen davon aus, dass ca. 10-15% der sexuellen Übergriffe von Frauen begangen werden. Täter*innen sind unterschiedlichen sozialen Schichten zugehörig, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung. Schätzungen zufolge kommen 50-75% aus dem nahen sozialen Umfeld der betroffenen Kinder und Jugendlichen. Häufig finden sich Täter*innen in der eigenen Familie wieder. Sexueller Missbrauch findet auch in Einrichtungen statt, in denen wir Mädchen* und Jungen* scheinbar wohl aufgehoben fühlen.
Aufgrund der hohen Dunkelziffer sind Aussagen über die Häufigkeit im Endeffekt nicht wirklich möglich. Die Häufigkeitsangaben der Studien zum sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen variieren nach er Definition von sexuellem Missbrauch, dem Studiendesign, der Stichprobe und auch der Informationsquelle. Für Fachkräfte sind harte Fakten letztlich irrelevant. Wichtig ist die Tatsache, dass sie im Arbeitsalltag immer wieder Mädchen* und Jungen* begegnen werden, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind. Deswegen ist es erforderlich, sich mit der Thematik fachlich auseinanderzusetzen und eine professionelle Haltung zum Thema Nähe-Distanz zu entwickeln.
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