Schutzkonzepte sind für Einrichtungen, in denen sich Kinder und Jugendliche aufhalten, ein unverzichtbares Mittel zum Schutz vor sexualisierter Gewalt. Aber sie können nur gelingen, wenn alle Beteiligten – Leitungskräfte, Mitarbeitende etc., aber vor allem auch die Kinder und Jugendlichen selbst – aktiv am Prozess partizipieren.
Was ist Partizipation?
Partizipation bedeutet, „an Entscheidungen mitzuwirken und damit Einfluss auf das Ergebnis nehmen zu können. (Sie) basiert auf klaren Vereinbarungen, die regeln, wie eine Entscheidung gefällt wird und wie weit das Recht auf Mitbestimmung reicht.“[1] Es genügt also nicht, lediglich Perspektiven, Erfahrungen und Meinungen einzuholen – es geht um die Einräumung von Entscheidungskompetenzen bzw. -macht.
Rechtliche Grundlage
Nicht nur Artikel 12 Absatz 1 der UN-Kinderrechtskonvention sichert Kindern ein Mitspracherecht zu in allen Angelegenheiten, die sie berühren: Ein Recht auf Partizipation ist auch an vielen Stellen im Bundes- und Landesrecht verankert. Das SGB VIII in Artikel 45 knüpft ganz konkret die Betriebserlaubnis von Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe an die Gewährleistung des Wohls und der Rechte von Kindern und Jugendlichen. Diese Gewährleistung, so das Gesetz, ist u.a. dann anzunehmen, wenn „in der Einrichtung die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung eines Konzepts zum Schutz vor Gewalt, geeignete Verfahren der Selbstvertretung und Beteiligung sowie der Möglichkeit der Beschwerde in persönlichen Angelegenheiten innerhalb und außerhalb der Einrichtung gewährleistet werden“.[2]
Weitere Gründe für Partizipation
Trotz der bislang fehlenden Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz macht die derzeitige Rechtslage die Partizipation von Kindern also unumgänglich. Unverzichtbar ist sie aber ohnehin aus pädagogischen Gründen: Denn Partizipation …
Anforderungen an Partizipationsstrukturen
Für gelingende Partizipation müssen einige Kriterien erfüllt sein:
Partizipationsformen und -themen in Einrichtungen
Es gibt eine große Anzahl von Partizipationsformen. Natürlich passt nicht jede davon zu jeder Einrichtung. Im Folgenden einige Ideen:[4]
Die möglichen Themen für Partizipation sind ebenfalls vielfältig und dürften von der Raumgestaltung über Mahlzeiten und Material bis zur Mitwirkung an Leitbildern und/oder Hausordnungen jeden erdenklichen Lebensbereich betreffen.
Partizipation im Schutzkonzept
Ein Schutzkonzept soll eine schützende Kultur etablieren und gewährleisten: eine Kultur der Achtsamkeit und Verantwortung, die sich aus verschiedenen Bausteinen zusammensetzt. Partizipation als gelebte Haltung ist eine Säule davon. Sie stärkt Kinder und Jugendliche in ihrer Position, macht sie kritikfähig und verringert das Machtgefälle zwischen Erwachsenen und Minderjährigen wie auch innerhalb der Mitarbeitenden. Sie sorgt für Transparenz und Fehlerfreundlichkeit und bringt, richtig gelebt, wichtige Schutzfaktoren gegen Täter*innenstrategien mit sich. Nur da, wo alle das Schutzkonzept akzeptieren und sich damit identifizieren, kann es tatsächlich schützend wirken.
So sind Kinder und Jugendliche beispielsweise als Expert*innen in eigener Sache bei der Risikoanalyse einzubinden. Im Vorfeld sollte dazu festgelegt werden:
Über Fragebögen und andere Abfragemethoden, etwa eine Fotorallye, kann die Perspektive der Kinder und Jugendlichen abgefragt werden; ein Runder Tisch, Elternabende etc. können zur gelungenen Einbindung aller dienen. Schulungen sollten die Sensibilisierung der beteiligten Personengruppen sicherstellen. Dies sind nur einige Beispiele dafür, wie die aktive Mitwirkung aller am Prozess gewährleistet werden kann.
[1] Straßburger/Rieger (2014) Partizipation kompakt, S.230
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_8/__45.html
[3] BMFSFJ (2015), Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, S. 10 ff.
[4] Sturzenhecker (2003), Begründungen und Qualitätsstandards,
Bundesministerium für Familie, Senioren Frauen und Jugend (2015): Qualitätsstandards für Beteiligung von Kindern und Jugendlichen (3. Auflage). https://www.bmfsfj.de/resource/blob/94118/c49d4097174e67464b56a5365bc8602f/kindergerechtes-deutschland-broschuere-qualitaetsstandards-data.pdf [Zugriff: 25. Mai 2021]
Institut für Soziale Arbeit (2016): Kinder beteiligen! Anregung zur Umsetzung von Partizipation im offenen Ganztag im Primarbereich. https://www.ganztag-nrw.de/fileadmin/Dateien/Dokumente/Dokumentationen/Fachtag_Partizipation_2016/Workshops/WS_A/PPT_Serviceagentur_Ganztaegig_lernen_NRW.pdf [Zugriff: 25. Mai 2021]
Schmahl, Stefanie (2017): Kinderrechtskonvention mit Zusatzprotokollen. Handkommentar (2. Auflage). Nomos.
Straßburger/ Rieger (2014): Partizipation kompakt. Für Studium, Lehre und Praxis sozialer Berufe (2. Auflage). Beltz Juventa S. 12 ff.
Sturzenhecker, Benedikt (2003): Begründungen und Qualitätsstandards von Partizipation – auch für Ganztagsschule. https://www.lwl.org/lja-download/pdf/Sturzenhecker_Partizipation_Ganztagsschule.pdf.4998#:~:text=Partizipation%20hilft%2C%20Schule%20zu%20einem%20Lebensort%20zu%20machen.,erreicht%20werden%2C%20das%20durch%20Partizipation%20gef%C3%B6rdert%20wird%20 [Zugriff: 04.Juni 2021]
Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Mißbrauchs (2021): Schule gegen sexuelle Gewalt. https://nordrhein-westfalen.schule-gegen-sexuelle-gewalt.de/home/ [Zugriff: 04. Juni 2021]
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