Interview: Die Fortbildung zur Schutzkonzeptberatung für NRW

Seit 2022 bietet die PsG.nrw eine Fortbildung zur Schutzkonzeptberatung für NRW an. Gerade besteht die Möglichkeit, sich für 2026 dazu anzumelden. Grund genug, Entstehen und Inhalte des Angebots einmal genauer zu betrachten!

Unsere Fachreferent*innen Lisa Thoben und Pascal Feldmann-Schultheis, welche die Fortbildung leiten, im Interview.

Ganz kurz: Warum gibt es die Fortbildung zur Schutzkonzeptberatung für NRW?

Pascal: Das Landeskinderschutzgesetz in NRW legt fest, dass Träger auf die Erstellung von Rechte- und Schutzkonzepten hinwirken. Mit unserer Fortbildungsreihe bilden wir Fachkolleg*innen weiter, die die Träger dabei unterstützen können. Der Prozess der Entwicklung eines Rechte- und Schutzkonzepts ist mitunter komplex und bedarf externer Begleitung. Diese Expertise wollen wir bereitstellen.

Lisa: Wir haben viele Anfragen von Trägern und auch Präventionsfachkräften bekommen, die sich individuelle Beratung und Begleitung bei der Schutzkonzepterstellung gewünscht haben. Und wir haben bemerkt, dass diese nur wenig verfügbar sind. Darum bilden wir die in der Präventionsarbeit erfahrenen Fachkräfte darin fort, sich genau diesen Themen der Organisationsberatung und Konzeptentwicklungen zu widmen.

Wie ist eurer Erfahrung nach der Stand der Umsetzung von Schutzkonzepten in der Kinder- und Jugendhilfe in NRW? Welche Themen liegen da gerade oben auf?

Pascal: Wir merken, dass Organisationen unterschiedlich weit sind. Einige stehen noch ganz am Anfang und bilden Fachwissen zu sexualisierter Gewalt und Täter*innen-Strategien aus. Viele sind schon gestartet und entwickeln gerade Maßnahmen. Da stehen konkrete Fragen an, wie z.B. „Welche Aspekte müssen in den Verhaltensleitlinien für Mitarbeitende stehen?“ oder „Wie können Interventionsprozesse betroffenengerecht aussehen?“. Wiederum andere konnten schon auf ein umfassendes Konzept zurückgreifen und entwickeln es weiter.

Lisa: Genau. Dabei ist auch anzumerken, dass die Träger sehr unterschiedlich mit Ressourcen für eine solche Konzeptentwicklung ausgestattet sind. Gerade kleinere Träger, die mit vielen Ehrenamtlichen tolle Angebote für Kinder und Jugendliche schaffen, stehen hierbei vor großen Herausforderungen. Deswegen nehmen auch einige Fachkräfte von den Wohlfahrtsverbänden an unserer Fortbildungsreihe teil, die dann wiederum Angebote für kleinere Verbände, Vereine und Einrichtungen in ihren Strukturen schaffen können.

Für welche Personengruppen ist die Fortbildung geeignet, und welche Voraussetzungen sollten sie mitbringen?

Pascal: Ausgeschrieben ist unsere Fortbildungsreihe für Personen mit Kenntnissen und Vorerfahrungen im Bereich Präventions- und Interventionsarbeit gegen sexualisierte Gewalt, Kinderschutz und oder Sexuelle Bildung, ggf. auch mit entsprechender Weiterqualifizierung wie z.B. InSoFa (insoweit erfahrene Fachkraft) oder Sexualpädagogik. Kenntnisse und Erfahrung in der Beratung und Bildungsarbeit sind in der Schutzkonzeptberatung ebenfalls erforderlich.

Außerdem ist die Fortbildung für Personen ausgeschrieben, die entweder freiberufliche Kapazitäten haben (um möglichst viele Organisationen beraten zu können) oder in Organisationen übergeordnet  in der Präventionsarbeit beraten. 

Lisa: Vorerfahrungen und Fachkenntnisse in diesen Bereichen sind für die Fortbildung nötig, da wir auf diesen aufbauen und uns eher mit der organisationalen Metaebene im Sinne der Prozessberatung befassen.

Was lernen die künftigen Schutzkonzeptberater*innen?

Lisa: Uns ist es ein Anliegen Theorie und Praxis in der Fortbildung zu verknüpfen und auch viel auszuprobieren. Dabei geben wir Referent*innen und auch unsere Gastreferent*innen gerne unsere Erfahrungen aus der Begleitung von Schutzkonzeptprozessen weiter. Sozusagen unsere Best-Practice Beispiele, aber auch unsere eigenen Schwierigkeiten mit Prozessen, aus denen wir lernen können.

Pascal: Neben gesetzlichen Rahmenbedingungen und empirischen Erkenntnissen zur Qualität und Wirksamkeit von Rechte- und Schutzkonzepten legen wir einen Schwerpunkt auf den Beratungsprozess: Wie gestalte ich eine passgenaue Begleitung für Organisationen? Wie behalte ich Bedarfe, Ziele und Zielgruppen im Blick? Wie gehe ich lösungsorientiert mit Störungen und Widerständen um? Wie kann Beteiligung aller Akteur*innen gelingen, insbesondere von Kindern und Jugendlichen?

In erster Linie wollen wir auch methodisches Handwerkszeug vermitteln. Ein Teilnehmer aus einer vergangenen Fortbildungsreihe hat mal das schöne Bild eines Werkzeugkoffers gezeichnet, den wir in unseren Modulen stetig befüllen.

Wer kann die Schutzkonzeptberater*innen buchen, und welches Spektrum bieten sie an?

Lisa: Im Prinzip jede Einrichtung oder Organisation in NRW. Die Kolleg*innen arbeiten mit unterschiedlichen Handlungsfeldern und bringen unterschiedliche Expertise mit. Auf unserer Website findet sich eine Suchfunktion für die von uns fortgebildeten Schutzkonzeptberater*innen, bei der nach Handlungsfeld und Angebotsformaten spezifiziert gesucht werden kann. Wir wissen, dass viele Eirichtungen keine finanziellen Ressourcen für eine umfassende Prozessbegleitung von Risiko- und Potenzialanalyse bis zum fertigen Konzept haben, deswegen können auch punktuelle und individuell angepasste Angebote angefragt werden.

Pascal: Unsere Kolleg*innen sind über eine Suchfunktion auf unserer Webseite aufgeführt und können erstmal von allen Organisationen angefragt werden. Die Schutzkonzeptberater*innen entscheiden dann selbst, inwiefern sie Beratung, Begleitung oder Fortbildung anbieten können. Das hängt auch mit ihren Kapazitäten zusammen.

Je nach Anfrage kann dann entweder eine gesamte Prozessbegleitung vereinbart werden oder eine partielle Unterstützung, wie etwa die konzeptionelle Planung und Durchführung einer Risiko- und Potentialanalyse. Informationsveranstaltungen und Schulungen sind ebenfalls im Repertoire der Kolleg*innen.

Wie sieht es mit der Finanzierung einer solchen Beratung aus? 

Lisa: Die Träger der freien Kinder- und Jugendhilfe in NRW werden sehr unterschiedlich gefördert, von Land und/oder Kommune. Da lohnt es sich bei Fördergebern nachzufragen und zu schauen ob Sondermittel beantragt werden können. Manchmal kann man solche Mittel auch bei Stiftungen bekommen. Generell braucht es dafür aber, gerade für die kleineren Träger, mehr Mittel.

Pascal: Ja, da sehen wir einen Bedarf. Gerade kleinere Organisationen oder ehrenamtlich getragene Vereine und Verbände verfügen oftmals nicht über die finanziellen Mittel, um eine externe Beratung zu bezahlen.

Für die ausgebildeten Schutzkonzeptberater*innen gibt es ein Netzwerk. Was passiert dort?

Pascal: Das Netzwerk sehen wir bei dieser Fortbildungsreihe als etwas Besonderes an. Wir freuen uns, dass uns Kolleg*innen im Netzwerk erhalten bleiben. Wir treffen uns bisher zwei Mal jährlich in Präsenz, um uns über aktuelle Bedarfe und Entwicklungen bei Rechte- und Schutzkonzeptprozessen auszutauschen.

Wir merken, dass unsere Fortbildungsreihe mit vormals acht, aktuell neun Tagen zwar relativ umfangreich ist, das Thema „Rechte- und Schutzkonzepte“ aber so umfassend ist, dass wir gar nicht alle Themen und Bedarfe der Teilnehmenden decken können. Deshalb laden wir zu jedem Netzwerk-Treffen weitere Referent*innen ein, um Schwerpunktthemen zu besprechen. Dabei haben wir uns z.B. schon arbeits- und datenschutzrechtlichen Aspekten gewidmet oder auch der Verknüpfung von Schutzkonzepten und Medienpädagogik.

Die weitere Vernetzung untereinander ist uns ebenfalls sehr wichtig. Wir haben das Glück, dass wir Kolleg*innen mit hoher Expertise dabeihaben. Gerade bei so komplexen und thematisch umfangreichen Prozessen ist es gut, wenn Berater*innen andere Fachkolleg*innen kennen und sich austauschen.

Lisa: Wir haben wirklich große Freude an und mit dem Netzwerk. Es ist schön, mit den Kolleg*innen in Kontakt zu bleiben. So erfahren wir als Landesfachstelle auch immer wieder, was aktuelle Bedarfe im großen Feld der Kinder- und Jugendhilfe in NRW im Bereich der Schutzkonzepte sind. Außerdem ist es uns wichtig, dass auch die Netzwerk-Mitglieder regelmäßig die Möglichkeit haben, sich bei uns in aktuellen Themen im Bereich fortzubilden.

 

Aktuell stehen 60 Absolvent*innen in den Startlöchern und sind über die Suchfunktion auf der Webseite der PsG.nrw aufzufinden. Wo können Fachkräfte auf der Suche nach Beratung und Begleitung darüber hinaus fündig werden?

Pascal: Wir freuen uns über die 60 Absolvent*innen, aber für NRW können sie natürlich nicht alle Bedarfe abdecken. Daher ist es gut, dass z.B. viele spezialisierte Fachberatungsstellen ebenfalls entsprechende Angebote zur Schutzkonzeptentwicklung haben. In unserer Beratungsstellensuche haben wir die Suchfunktion um die Kriterien „Schutzkonzeptberatung“ und „Schutzprozessbegleitung“ ergänzt. Außerdem gibt es natürlich noch weitere Expert*innen in NRW, die mit viel Erfahrung zu Schutzkonzepten arbeiten. Einige von ihnen sind beispielsweise im Fortbildungsnetzwerk der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Intervention (DGfPI) gelistet.

Lisa: Auch die kommunalen Jugendämter bieten mittlerweile häufig Beratungen im Bereich der Schutzkonzepte an.