Die Strafnormen des 13. Abschnitts des Strafgesetzbuches (StGB) schützen die sexuelle Selbstbestimmung von Menschen jeden Alters. Bestimmte Delikte betreffen jedoch explizit die Selbstbestimmung und Entwicklung von Kindern/Jugendlichen bzw. sehen bis zum Erreichen einer bestimmten Altersgrenze einen höheren Schutzstandard vor.
Von zentraler Bedeutung ist in diesem Zusammenhang die absolute Schutzaltersgrenze von 14 Jahren:
- Sexuelle Handlungen mit Kindern (Personen unter 14 Jahren) sind nach dem Willen des Gesetzgebers grundsätzlich strafbar, § 176 StGB.
- Dieselbe Schutzaltersgrenze gilt auch für sexualisierte Gewalt ohne Körperkontakt, § 176a StGB. Die Vorschrift soll insbesondere auch sexualisierte Gewalt im digitalen Raum sanktionieren. § 176a StGB stellt beispielsweise exhibitionistische Handlungen vor Kindern oder die Aufforderung zum Posieren vor der Kamera unter Strafe. Neu ist die eingefügte „Scheinkind-Variante“. Danach machen sich Täter*innen beispielsweise auch dann strafbar, wenn sie im digitalen Raum nicht wie geplant auf ein Kind/eine*n Jugendliche*n, sondern auf eine*n Ermittlungsbeamten/-beamtin treffen.
- Auch die Vorbereitung von sexualisierter Gewalt an Kindern kann strafbar sein. Dies regelt § 176b StGB. Der sogenannte „Cybergrooming-Paragraph“ knüpft eine Strafe an Handlungen im Vorfeld der sexualisierten Gewaltausübung und ermöglicht so die Bestrafung von Täter*innen, die sich Kindern mittels moderner Kommunikationsmedien nähern, um sexualisierte Gewalt vorzubereiten. Auch § 176b StGB sieht eine Scheinkindvariante vor. Sind Kinder oder Jugendliche von Cybergrooming betroffen, kann man dies niedrigschwellig über FragZebra melden (fragzebra.de).
Die Strafbarkeit von sexualisierter Gewalt an Jugendlichen ist in § 182 StGB geregelt. § 174 StGB sieht einen besonderen Schutz von Kindern und Jugendlichen innerhalb bestimmter Obhuts- und Abhängigkeitsverhältnisse vor, wobei im Zuge der jüngsten Reform des Sexualstrafrechts die Schutzaltersgrenze in den meisten Fallkonstellationen auf 18 Jahre angehoben wurde. Künftig können sich Schutzbefohlene auch dann strafbar machen, wenn sie dritte Personen in die Gewalthandlungen einbinden.
Die Strafbarkeit der Verbreitung, des Erwerbs und Besitzes von „Kinder- und Jugendpornografie“ bestimmt sich nach § 184b und § 184c StGB. § 184b Abs. 1 Nr. 1b StGB regelt nun, dass ein pornographischer Inhalt insbesondere auch dann als „kinderpornographisch“ zu qualifizieren ist, wenn er ein ganz oder teilweise unbekleidetes Kind „in aufreizend geschlechtsbetonter Körperhaltung“ zeigt. Damit wurden früher bestehende Strafbarkeitslücken geschlossen, die beispielsweise für die Darstellung schlafender Kinder bestanden.
Strafbar macht sich überdies, wer einen pornographischen Inhalt an ein Kind gelangen lässt, § 176a Abs. 1 Nr. 3 StGB. Besondere Relevanz erfährt die Vorschrift durch den in jüngster Zeit zu beobachtenden Trend, dass meist männliche Internetnutzer ungefragt Bilder ihres unbekleideten Geschlechtsteils (Dick-Pics) verschicken. Das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf sexuelle Selbstbestimmung umfasst immer auch ein „Recht auf ein Nein“. Dies aufgreifend bestimmen die § 176a Abs. 1 Nr. 3 und § 184 Abs. 1 Nr. 6 StGB, dass niemand es dulden muss, dass ihm oder ihr ungefragt Dick-Pics geschickt werden. Verstöße hiergegen ziehen eine Strafbarkeit nach sich. Dick-Pics können niedrigschwellig an Dickstinction – Access to justice gemeldet werden.
Durch die jüngste Reform des Sexualstrafrechts sind zahlreiche Sexualstraftaten zu Verbrechen hochgestuft worden, mit der Folge, dass eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr zu verhängen ist. Dies spiegelt nicht nur das besondere Unrecht der Taten wider, sondern hat u.a. auch zur Folge, dass eine Einstellung des Verfahrens nach § 153, § 153a StPO wegen Geringfügigkeit nicht mehr erfolgen kann. Dies bietet die Chance, künftig stärker mit Täter*innen spezialpräventiv im Prozess zu arbeiten.
Bevor es zur Anzeige einer Sexualstraftat kommt, sollte in jedem Fall gut abgewogen werden, ob das betroffene Kind bzw. der*die betroffene Jugendliche aktuell den Belastungen gewachsen ist, die ein Strafverfahren und die hiermit verbundene intensive Auseinandersetzung mit der Tat mit sich bringt. Ferner muss sichergestellt werden, dass von sexueller Gewalt betroffene Kinder und Jugendliche durch eine Strafanzeige nicht zusätzlich in Gefahr gebracht werden. Vor einer Anzeige sollte daher immer auch eine spezialisierte Fachberatungsstelle konsultiert werden.