In den vergangenen Jahren gab es viel politische und gesellschaftliche Aufmerksamkeit für das Thema sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Dabei wurde fachlich wie politisch über verschiedene Verbesserungsmöglichkeiten diskutiert.
Diskussionen in der pädagogischen Landschaft bereiten den Weg für gesetzliche Änderungen. Dies hat das Jahr 2025 in besonderem Maße gezeigt. In diesem Newsletter-Schwerpunkt haben wir darum die für Fachkräfte vermutlich wichtigsten Änderungen auf Bundes- und Landesebene aufbereitet.
Änderungen auf Bundesebene
Auf Bundesebene sind im Jahr 2025 vorrangig zwei Gesetzentwürfe verabschiedet worden, die für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe von Bedeutung sind: Das Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen und das Gewalthilfegesetz.
Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen
Das Gesetz zur Stärkung der Strukturen gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist zum 1. Juli 2025 zu weiten Teilen in Kraft getreten (BGBl. I 2025, Nr. 107).
Hierdurch wurde das Gesetz zur Einrichtung der oder des Unabhängigen Bundesbeauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (UBSKMG) neu eingeführt. Zudem wurden Änderungen am Achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) und dem Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) vorgenommen.
Die wichtigsten inhaltlichen Neuerungen haben wir Ihnen in den folgenden sechs Punkten zusammengefasst:
Punkt 1: Gesetzliche Verankerung der Strukturen der UBSKM
Die oder der Unabhängige Bundesbeauftragte gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (UBSKM), der Betroffenenrat bei UBSKM und die Unabhängige Kommission des Bundes zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (Aufarbeitungskommission) erhalten ein eigenes Gesetz – das UBSKMG.
Neben vielen weiteren Regelungen fällt in diesem Gesetz § 7 UBSKMG in den Blick. Hiernach ist der oder die UBSKM nunmehr verpflichtet, mindestens einmal pro Legislaturperiode über Ausmaß und Folgen sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen, den aktuellen Stand von Prävention, Intervention, Hilfe und Unterstützungsleistungen sowie Aufarbeitung zu berichten.
Punkt 2: Präventionsauftrag des Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit (BIÖG)
Ab dem 1. Januar 2026 wird das BIÖG (ehemals: BZgA) nach § 3 UBSKMG wissenschaftlich abgesicherte bundeseinheitliche Angebote, Materialien und Medien zur Verbesserung des präventiven Schutzes von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt und Ausbeutung entwickeln. Diese richten sich insbesondere an Fachkräfte und Eltern.
Punkt 3: Dunkelfeldforschung zum Thema Sexualisierte Gewalt
Nach § 7 Absatz 2 Satz 1 UBSKMG nimmt der Bericht der UBSKM auf die Erkenntnisse eines Zentrums für Forschung zu sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen (ZEFSG) Bezug. Ein solches Zentrum ist projektbasiert beim Deutschen Jugendinstitut (DJI) etabliert worden. Es führt regelmäßig Befragungen von Jugendlichen zu Häufigkeit und Tatkontext in Kindheit und Jugend erlebter sexualisierter Gewalt durch.
Punkt 4: Schutzkonzepte
Ziel des Gesetzes war es weiterhin, eine bundesgesetzliche Grundlage zu schaffen, Schutzkonzepte verbindlich auch jenseits erlaubnispflichtiger Einrichtungen und Familienpflege zu verankern. Rechtstechnisch wird diese Grundlage in einer Änderung von § 79a Absatz 1 SGB VIII verortet. Diese Änderung kann über eine vom Deutschen Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF) erstellte Synopse nachvollzogen werden.
Die Konferenz der Jugend- und Familienminister*innen (JFMK) beschloss im Mai unter TOP 7.8 auf Antrag Nordrhein-Westfalens, den Bund um eine praxisgerechte Aufbereitung der Regelungen zu bitten.
Punkt 5: Aufarbeitung
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst auch das Grundrecht auf Aufarbeitung einer von Gewalterfahrungen geprägten Lebensgeschichte (Rixen: „Gibt es ein (Grund-)Recht auf Aufarbeitung?“, S. 57) . Auch um diese zu erleichtern, wurde ein neuer Paragraf in das Achte Sozialgesetzbuch (§ 9b SGB VIII) eingefügt. Dieser gewährt bei einem berechtigten Interesse Einsichts- und Auskunftsansprüche gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe in Akten der Erziehungshilfe, Eingliederungshilfe, aus Heimen oder Vormundschaft, die die Person als Minderjährige betreffen.
Der Anspruch wird zunächst gegenüber öffentlichen Trägern formuliert. Diese müssen nicht nur selbst Auskunft erteilen und Einsicht gewähren. Sie sollen auch über Vereinbarungen mit den freien Trägern sicherstellen, dass auch sie nach bestimmten Rahmenbedingungen Einsicht und Auskunft erteilen. Die Akten bei den freien Trägern sind nach Vollendung des 30. Lebensjahres der betroffenen Person 70 Jahre lang aufzubewahren. Für die öffentlichen Träger gibt es eine einheitliche Frist bislang nicht. Die JFMK bat jedoch die BAG Landesjugendämter um eine gemeinsame Empfehlung zur Akteneinsicht und zu den Aufbewahrungsfristen – dies ebenfalls unter TOP 7.8.
Punkt 6: Medizinisches Beratungsangebot
Die bereits bestehende Medizinische Kinderschutzhotline wird zum 1. Januar 2026 mit einem neuen § 6 des Gesetzes zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) verstetigt.
Gewalthilfegesetz
Auch das Gesetz zur Sicherung des Zugangs zu Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer häuslicher Gewalt (BGBl. I 2025, Nr. 57; Gewalthilfegesetz) ist verabschiedet und verkündet worden. Das Gewalthilfegesetz konkretisiert Schutzpflichten des Staates aus dem Grundgesetz und Verpflichtungen aus der Istanbulkonvention.
So tritt ab dem 1. Januar 2032 ein gesetzlich normierter Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt betroffene Personen in Kraft. Dieser Anspruch wird sich auf die in ihrer Obhut befindlichen Kinder erstrecken.
Kinder, die geschlechtsspezifische oder häusliche Gewalt gegenüber nahestehenden Dritten miterlebt haben oder miterleben, sind gemäß § 2 GewHG selbst gewaltbetroffen. Als Kind gilt im Rahmen des Gewalthilfegesetzes jede Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.
Näheres zum Gewalthilfegesetz erfahren Sie hier.
Änderungen auf Landesebene
Auf Landesebene wurde das Landeskinderschutzgesetz, das am 1. Mai 2022 zu großen Teilen in Kraft getreten ist, geändert. Zudem sind Änderungen an den nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetzen zum SGB VIII vorgenommen worden.
Landeskinderschutzgesetz
Teil 1: Qualitätsentwicklungsverfahren nach § 8 Landeskinderschutzgesetz
Seit dem 1. Juli 2023 macht § 8 Landeskinderschutzgesetz für die Qualitätsentwicklung in den Jugendämtern Vorgaben für ein verbindliches Verfahren. Dieses setzt sich aus einer Evaluation und fachlichen Einordnung von konkreten Fallanalysen bereits abgeschlossener Sachverhalte sowie von Merkmalen zur Strukturqualität zusammen. Bezüglich der Auswahl der Fälle für das Qualitätsentwicklungsverfahren wird nun eine Neuerung durchgeführt.
Gemäß § 8 Absatz 3 Landeskinderschutzgesetz erfolgt diese Auswahl nunmehr nach dem Zufallsprinzip. Die Jugendämter können zusätzlich weitere konkrete Fälle für das Qualitätsentwicklungsverfahren auswählen.
(Nach § 8 Absatz 3 alter Fassung Landeskinderschutzgesetz sollte das Jugendamt eine möglichst repräsentative Stichprobe der durchgeführten Gefährdungseinschätzungen der vergangenen fünf Jahre auswählen. Sie umfasste sowohl zielgerichtet als auch zufällig ausgewählte Gegenstände.)
Teil 2: Landeskinderschutzbeauftragte*r
Des Weiteren wurde das Amt eines oder einer „Beauftragte*n für Kinderschutz und Kinderrechte des Landes Nordrhein-Westfalen“ – kurz: „Landeskinderschutzbeauftragte*r“ ins Leben gerufen. Dieses Amt ist explizit nach § 19 Landeskinderschutzgesetz NRW mit bestimmten Aufgaben verbunden, die Kinderrechte schützen, wahren und fördern sollen.
Bestellt wird die beauftragte Person gemäß § 18 Landeskinderschutzgesetz NRW von der Landesregierung im mit dem Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend des Landtags Nordrhein-Westfalen (AFKJ). Die Stelle wird beim Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration (MKFJFGFI) eingerichtet. Sie ist unabhängig, fachlich weisungsungebunden und nur dem Gesetz unterworfen.
Der oder die Landeskinderschutzbeauftragte wird nach § 21 Landeskinderschutzgesetz NRW einer Berichtspflicht unterliegen. Dieser Bericht wird sich auf die Lage des Kinderschutzes und die Wahrung und Förderung der Kinderrechte beziehen. Er wird jeweils einmal zu Beginn der Legislaturperiode Landtag und Landesregierung vorgelegt werden. Zur Mitte der Legislaturperiode erfolgt ein Zwischenbericht.
Gesetz zur Änderung nordrhein-westfälischer Ausführungsgesetze zum SGB VIII
Das Achte Sozialgesetzbuch wird auf Landesebene durch Ausführungsgesetze näher ausgestaltet. Vor allem aufgrund der Neuerungen, die in Folge des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes – der Reform des Achten Sozialgesetzbuches – auf Bundesebene 2021 in Kraft getreten sind, hat Nordrhein-Westfalen auch die Ausführungsgesetze angepasst.
Der weitere Ausbau der Ombudsstellen nach § 24 1. AG-KJHG, die ausdrückliche Berücksichtigung verschiedener Familienkonstellationen im Pflegekinderwesen nach § 16 des 1. AG-KJHG und eine Vorschrift zur Erlaubnispflichtigkeit familienähnlicher Betreuungsformen in § 20 des 1. AG-KJHG stellen nur einzelne Beispiele der recht vielfältigen Anpassungen dar. Für einen Gesamtüberblick können Sie das Gesetz zur Änderung nordrhein-westfälischer Ausführungsgesetze zum SGB VIII vom 10. Juni 2025 hier aufrufen.