Beteiligung (1): Das Recht auf Beteiligung und Möglichkeiten der Umsetzung

Kinder und Jugendliche haben ein Recht darauf, dass sie in allen Angelegenheiten, die sie betreffen, umfassend beteiligt werden. Dabei haben Erwachsene die Aufgabe, ihnen dieses Recht zu gewähren.

Dazu gehört es, Kinder und Jugendliche zu befähigen und darin zu unterstützen, sich eine eigene Meinung möglichst frei von äußeren Einflüssen zu bilden, sowie sie zu ermutigen, diese Meinung auch zu äußern. In einem zweiten Schritt ist es wichtig, ihre Meinung angemessen zu berücksichtigen. Falls es Gründe dafür gibt, dass diese nicht oder nur bedingt in eine Entscheidung einfließen kann, sind Erwachsene dafür verantwortlich, dies vor den Heranwachsenden zu begründen.

Dieses Recht auf Beteiligung (oder auch Partizipation) steht übrigens nicht nur in der UN-Kinderrechtskonvention, sondern ist auch im Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (SGB VIII §8 und §11) festgeschrieben. Auch weitere Gesetze, die Schutzkonzepte für pädagogische Einrichtung vorschreiben, wie das SGB VIII und das Landeskinderschutzgesetz NRW, verbinden die Schutzkonzeptverpflichtung mit dem Etablieren von Beteiligungsstrukturen. So sind nach dem SGB VIII § 45 (2) 4. geeignete Verfahren der Selbstvertretung und Beteiligung sowie die Möglichkeit der Beschwerde in einem Konzept festzuschreiben.

Echte Beteiligung hat die Chance, Machtstrukturen abzubauen. Kinder und Jugendliche sind grundsätzlich strukturell bedingt mit weniger Macht ausgestattet als Erwachsene. Das gilt auch für den Kontext von pädagogischen Einrichtungen. Dort wird das Machtgefälle durch zahleiche Faktoren begünstigt, die sich in der pädagogischen Professionalität und Verantwortung der Erwachsenen für die Kinder und Jugendlichen begründen. So resultieren sie etwa aus Situationen wie Bewertungssituationen in der Schule, der Erarbeitung pädagogischer Konzepte oder Hilfeplänen.

Unter anderem deshalb ist es notwendig, strukturell verankerte Beteiligungssysteme für Kinder und Jugendliche in pädagogischen Kontexten zu etablieren. Dies gilt natürlich auch für die Erarbeitung von Rechte- und Schutzkonzepten. Kinder und Jugendliche sind Expert*innen in eigener Sache – darum können nur mit ihrem Blick Risiko-, aber auch Schutzfaktoren in Organisationen umfassend analysiert werden. Beteiligung ist dabei nicht nur ein Baustein im Rechte- und Schutzkonzept, sondern muss sich wie ein roter Faden durch das gesamte Konzept und auch dessen Erarbeitung ziehen. Sie soll sich dabei grundlegend in der pädagogischen Haltung der Einrichtung niederschlagen.

Neben dem grundsätzlichen Recht auf Beteiligung macht es auch aus pädagogischen Gründen Sinn, Kinder und Jugendliche möglichst an allen Entscheidungen teilhaben zu lassen. Partizipation fördert soziale und zum Teil auch fachliche Kompetenzen. So können Kinder und Jugendliche lernen, wie demokratische Entscheidungsprozesse funktionieren, sie erleben Selbstwirksamkeit, sie steigern ihre Frustrationstoleranz und lernen Empathie. Nur durch ihre direkte Mitwirkung können wir einen echten Einblick in ihre Lebenswelten bekommen. Dazu kommt, dass Entscheidungen, die unter Beteiligung aller, die sie betreffen, gefällt werden, meist auch besser anerkannt und berücksichtigt werden. Die Beteiligung liefert also einen Beitrag zur Zufriedenheit aller.

Es gibt ganz unterschiedliche Möglichkeiten, Kinder und Jugendliche in pädagogischen Einrichtungen zu beteiligen. Das können basisdemokratische Strukturen sein, wie ein Kinderrat, eine Austauschrunde (zu verschiedenen Themen) oder verschiedene Formen von Komitees, die sich punktuell mit Projekten befassen. Oder auch repräsentativdemokratische Strukturen, wie ein offen gewähltes Kinderparlament, ein Schüler*innenvertretungssystem oder verschiedene Ausschüsse, die sich zum Beispiel mit Finanzen oder Personalien beschäftigen.

Weiterhin gibt es natürlich punktuelle und alltägliche Form von Partizipation. So können Kinder und Jugendliche beispielsweise über Tagesangebote entscheiden, ihre Meinung in dafür geöffnete Teamsitzungen von Pädagog*innen einbringen, Ideenwände kreieren oder Räume nach ihren Vorstellungen gestalten. Oder es werden projektorientierte Formen genutzt, bei denen zum Beispiel ein Projektrat oder eine Arbeitsgruppe tätig wird. In einem solchen Rahmen können die Kinder etwa in Mitbestimmungsaktionen zur oben schon genannten Raumgestaltung, in die Erstellung eines Leitbildes oder das Aufsetzen von Verhaltensregeln eingebunden werden.

Auch die Themen, bei denen Kinder und Jugendliche sich einbringen können, sind vielfältig. Einige wurden bereits genannt. Weiterhin können sie etwa mitentscheiden über die Pausengestaltung, die Anschaffung von Materialien und Spielen, aber auch über Ansprechpersonen für bestimmte Situationen oder über Umgangsregeln, die sie sich in der Einrichtung wünschen. Und natürlich können sie auch selbst Themen und Formen der Beteiligung einbringen.

Im nächsten Newsletter: 

Beteiligung (2): Partizipation und der Zusammenhang mit der Prävention sexualisierter Gewalt

Beteiligung (3): Qualitätsstandards für Beteiligung